Ereignisse im Raum Werdau - Fraureuth
Weitere Streikzentren lagen im Bezirk Karl-Marx-Stadt in den Städten Freiberg, Crimmitschau, Tannenberg, Penig, und in Werdau. Eine Besonderheit der Streiks im Bezirk war, dass sie erst in der Nacht vom 17. zum 18. Juni begannen. Gründe für die Arbeitsniederlegung waren hier neben Normenerhöhung und der Verschlechterung der Lebensbedingungen vor allem die Verhängung des Ausnahmezustandes selbst. So traten die Metallarbeiter des VEB Wälzlagerwerks Fraureuth am frühen Morgen des 18. Juni in den Streik. Zuvor hatte die Parteileitung des Betriebes versucht, die Arbeiter einzuschüchtern. Der Parteisekretär sollte Abteilung für Abteilung die Verhängung des Ausnahmezustandes verkünden und auf die Konsequenzen von Streiks hinweisen.
In der Pause um 2:00 Uhr begann der Sekretär mit der Verlesung des Ausnahmebefehls. Zwar nahmen die Arbeiter hier nach ersten Protesten die Arbeit wieder auf. Als der Sekretär jedoch in die nächste Abteilung ging, kamen 250 bis 300 Arbeiter aus verschiedenen Abteilungen zusammen. Es kam zu heftigen Diskussionen, die bis zum Ende der Nachtschicht dauerten. Als die Arbeiter der Frühschicht zur Arbeit erschienen, versammelte sich die komplette Belegschaft und formulierte Forderungen zur Normenfrage, zu freien Wahlen und politischen Veränderungen. Als die Arbeiter jedoch einen Demonstrationszug zur Stadtkommandantur beginnen wollten, mussten sie feststellen, dass sowjetische Soldaten und Volkspolizisten die Werkseingänge besetzt hatten. Nach erfolgreichen Protesten zogen sich die Soldaten jedoch schnell wieder zurück.
Dem Streik im Wälzlagerwerk schlossen sich auch andere Betriebe an, so z.B. das Vereinte Trikotagenwerk und der VEB Wärmetechnik in Crimmitschau. Die Streiks dauerten oft den ganzen Tag. Nachdem die Belegschaft des Wälzlagerwerks eine 22-köpfige Kommission gewählt hatte, nahmen die Streikenden hier die Arbeit wieder auf. Die Kommission verhandelte mit der SED und der Werkleitung und überbrachte die Forderungen der Arbeiter. Währenddessen nahm die MfS-Kreisdienststelle Werdau acht sogenannte Rädelsführer fest.
Für die Freilassung ihrer inhaftierten Kollegen legte die Belegschaft im Wälzlagerwerk am 19. Juni erneut für mehrere Stunden die Arbeit nieder. Am 22. Juni versuchten Arbeiter in Fraureuth die Sirenen in Gang zu setzen, um damit zu einer Demonstration aufzurufen. Dieser Versuch schlug aber fehl, denn die Staatssicherheit hatte die Sirenen außer Betrieb gesetzt. Bis auf zwei Verhaftete kamen alle Inhaftierten am 1. Juli wieder auf freien Fuß. Die beiden verbliebenen Häftlinge wurden zu mehrmonatigen Gefängnisstrafen verurteilt.