Die Situation eskalierte, als sich ab Ende September und im Zusammenhang mit den offiziellen Jubelfeiern zum 40. Jahrestag der DDR ganz normale Bürger, Ausreisewillige und Bürgerrechtler bei Demonstrationen zusammenfanden. Der Versuch, das - wie von Honecker gefordert - durch Repression zu unterbinden, schlug fehl. Volkspolizei und Staatssicherheit bemühten sich in Dresden, Leipzig und Berlin, nicht nachzugeben, aber vor allem die Staatssicherheit fürchtete, dass bei allzu heftigem Einschreiten der Funke auf die Betriebe überspringen könnte.
Die MfS-Führung war der Auffassung, dass nur ein Wechsel an der Spitze der SED eine Lösung bringen könne; Mielke hat deshalb den Sturz Honeckers unterstützt. Die SED unter Egon Krenz versuchte nun, auf offene Repression zu verzichten, die politische Initiative zurückzugewinnen und damit ihre Macht zu sichern. Auch mit diesem Kurs war die Führung der Staatssicherheit einverstanden und versuchte, zum Erfolg beizutragen.
Die Bürgerrechtsorganisationen sollten überwacht und durch inoffizielle Mitarbeiter unterwandert werden. Deren Aufgabe sollte sein, einer weiteren Radikalisierung entgegenzuwirken. Außerdem hatten die Mitarbeiter der Staatssicherheit von der SED organisierte Veranstaltungen abzusichern und oppositionelle Wortführer am Auftreten zu hindern.
All diese Vorhaben scheiterten. Als nicht mehr zu leugnen war, dass es der SED nicht gelingen würde, die Lage mit politischen Mitteln unter Kontrolle zu bringen, wurde an der Spitze der Staatssicherheit überlegt, den Ausnahmezustand auszurufen. Doch das Politbüro der SED war nicht bereit, das auch nur in Erwägung zu ziehen.
Die Staatssicherheit ging nun zur Eigensicherung über: Wichtige Unterlagen sollten aus den besonders gefährdeten Kreisdienststellen in die Bezirksverwaltungen ausgelagert werden. Das war der Auslöser für den Beginn einer umfassenden Aktenvernichtung. Sie diente der Verschleierung der Vergangenheit, bedeutete aber, dass die Staatssicherheit sich ihres Gedächtnisses und damit der Information als Waffe beraubte. Über die Hälfte aller inoffiziellen Mitarbeiter waren von den regionalen Diensteinheiten geführt worden; die Verbindung zu den meisten von ihnen wurde nun abgebrochen. Damit konnte die Staatssicherheit sich ihres wichtigsten Instruments nur noch sehr eingeschränkt bedienen.
Am 18. November 1989 wurde eine neue Regierung gebildet.
Das Ministerium für StaatssicherheitMinisterium für Staatssicherheit
Das Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische...
wurde in Amt für Nationale SicherheitAmt für Nationale Sicherheit
Die Umwandlung des MfS in ein AfNS erfolgte im Zusammenhang mit der Neubildung der Regierung durch...
umbenannt und dem Vorsitzenden des Ministerrates direkt untergeordnet. Das war der erste Schritt, der unter dem Druck der demokratischen Revolutionäre schließlich zur Auflösung der Staatssicherheit (s.a. Auflösung des MfSAuflösung des MfS 1989/90
Die Staatssicherheit wurde im Zuge der demokratischen Revolution aufgrund politischer...
) führte. Obwohl die Staatssicherheit mit inoffiziellen Mitarbeitern in den Regierungsparteien und am Zentralen Runden Tisch präsent war, gelang es ihr nicht, darüber den politischen Prozess zu steuern. Es fehlte eine fundamentale Voraussetzung: eine klare politische Linie, die nur die SED hätte vorgeben können; die aber war inzwischen vor allem mit ihrem drohenden Verfall beschäftigt.