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"Horizont über die Stasi hinaus erweitern"

Liebe Mitglieder der Opferverbände, sehr geehrte Damen und Herren!

Es ist das Verdienst der UOKG, stets die Gesellschaft daran zu erinnern, was es ganz konkret heißt, Unrecht erlebt zu haben. Die Union der Opferverbände der kommunistischen Gewaltherrschaft gibt seit nunmehr 25 Jahren denen eine Stimme, die ein Leben lang mit den Folgen von Repression, Haft und Unterdrückung leben müssen.

Wie eindrücklich das durch die Opfer der SED-Diktatur geschieht habe ich schon oft miterlebt.
Ende letzten Jahres lud mich die "Union der Opferverbände" zu einer Veranstaltung zum Thema "Zwangsadoptionen in der DDR" ein.

Sichtlich aufgewühlt erzählte eine Frau ihre Erlebnisse, die über 30 Jahre zurückliegen.
"Ich will erfahren, wie es möglich war, dass die DDR-Behörden mir meinen Sohn weggenommen haben. Ich will, dass endlich festgestellt wird, das Unrecht geschehen ist." Die Worte der betroffenen Mutter fanden im Saal Zustimmung, denn sie steht mit ihrem Schicksal nicht allein. Und deshalb ist es gut, dass sich unter dem Dach der UOKG ein Verein für die Opfer der Zwangsadoptionen in der DDR gegründet hat. Was in diesem Verein, was in allen Verbänden der UOKG an Arbeit geleistet wird, ist für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, ist für jedes einzelne Opfer, aber auch für die Gesellschaft insgesamt von enormen Wert.

Diese Leistung verdient Anerkennung und sie verdient eine besondere Unterstützung durch die staatlichen Institutionen.

Für den BStU, für die Arbeit mit den Stasi-Unterlagen ist die Zusammenarbeit mit der UOKG auch ein Gewinn, und sie ist eine stetige Motivation.

Ob bei Veranstaltungen, in der Bürgersprechstunde oder beim Einblick in die Stasi-Akten wird uns bewusst, dass es weniger um Akten geht, sondern um Menschen und ihre Schicksale.

Es geht um Menschenrechtsverletzungen. Menschenrechtsverletzungen, die nicht nur durch das Wirken der Stasi begangen wurden. Am Beispiel der Zwangsadoptionen, von denen ich sprach, kann man es deutlich sehen kann.

Es gibt nicht nur die Opfer der Stasi. Es gibt viele Opfergruppen der SED-Diktatur, die unsere Unterstützung brauchen, das führt uns die UOKG vor Augen. Verfolgte Schüler, exmatrikulierte Studenten, beschädigte Berufskarrieren, Zwangsausgesiedelte, Zwangsarbeiter, politische Häftlinge und viele mehr.

Wenn wir das Unrecht in der DDR umfassend aufarbeiten wollen, müssen wir mehr noch unseren Horizont über die Stasi hinaus erweitern. Es geht um die Betrachtung der gesamten Gesellschaft in der DDR. Von der bestimmenden Rolle der Partei, der SED, bis hin zur Volksbildung. Es geht auch um die deutlichere Würdigung von Opposition und Widerstand.

Und, wir brauchen Verbesserungen, die konkret spürbar sind für die Opfer.

Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen für die Verfahren zur Anerkennung von Haftfolgeschäden. Wir brauchen Rentengerechtigkeit für Republikflüchtige, Ausgereiste und freigekaufte Häftlinge. Und nicht zuletzt brauchen wir die Entfristung für Anträge zur Rehabilitierung von politisch Verfolgten. Es darf nicht sein, dass diese Frist 2019 endet. Die Menschen leben und leiden weiter. Aufarbeitung von Unrecht darf kein Verfallsdatum haben.

Ja, es geht immer wieder um die Frage der Glaubwürdigkeit bei der Aufarbeitung des geschehenen Unrechts, vor allem geht es um die Glaubwürdigkeit gegenüber den Opfern. Glaubwürdigkeit kann nicht verordnet werden, Glaubwürdigkeit gegenüber den Opfern muss errungen werden. Es geht um Respekt und Wahrhaftigkeit. Wenn in der Koalitionsvereinbarung für den Berliner Senat eine neue Gedenkkultur im Dialog mit den Opferverbänden angekündigt wird, dann klingt das gut. Wenn aber gleichzeitig durch die Hintertür an den Opferverbänden vorbei ein Staatssekretär mit Stasi-Vergangenheit und Falschaussagen ernannt wird, dann ist dies für die Glaubwürdigkeit nicht förderlich.

Ja, es ist noch viel zu tun in der Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Die Arbeit der UOKG mahnt uns zur Glaubwürdigkeit gegenüber den Opfern.

Und die Arbeit der UOKG rückt uns, und auch der nächsten Generation vor allem, den Wert von Menschenrechten stärker ins Bewusstsein

Deshalb ist es gut, dass es die Union der Opferverbände gibt.